Monika Griefahn, Mitglied des Deutschen Bundestages a. D.

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Auf dieser Internetseite finden Sie Informationen über meine Arbeit als Bundestagsabgeordnete (1998 bis Oktober 2009)

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    17.01.2005

    Konsultation für die bundesweite Koalition zur kulturellen Vielfalt

    Drittes Fachgespräch zur UNESCO-Konvention zum Schutz kultureller Vielfalt


    Der Ausschuss für Kultur und Medien und der Deutschen Bundestag sprechen sich aus für die Einzigartigkeit und die Vielfalt der Identitäten und Kulturen und damit für eine kulturelle Diversität. Wir vertreten einen weiten Kulturbegriff und danach ist jede Erscheinungsform künstlerisch-kreativen Handelns ein kulturelles Gut:

    Literatur, Musik, Schauspiel, Malerei, Architektur, Kunsthandwerk, Film, Video, Rundfunk, neue Medien, und nicht zuletzt so genannte kulturelle Dienstleistungen wie bürgerschaftliches und freiwilliges Engagement, die Kochkunst, Kulturtourismus, Sport und soziokulturelle Arbeit. Aus dieser Vielfalt ergibt sich eine Notwendigkeit des Schutzes.

    In zwei Beschlüssen des Deutschen Bundestages zu den GATS-Verhandlungen haben wir gezeigt, dass wir eine angemessene Berücksichtigung des Kulturbereichs bei den Verhandlungen im Rahmen der WTO bzw. des GATS für unverzichtbar halten.

    1. „GATS-Verhandlungen – Bildung als öffentliches Gut und kulturelle Vielfalt sichern“ (BT-Drs. 15/224)
    2. „GATS-Verhandlungen – Transparenz und Flexibilität sichern“ (BT-Drs. 15/576)

    Diese wurden in einem Beschluss zur Welthandelskonferenz (BT-Drs. 15/1317) bekräftigt.

    Die Fraktion der SPD brachte zusammen mit der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im letzten Jahr außerdem einen Antrag auf den Weg, um die „Schaffung eines internationalen Instruments zum Schutz der kulturellen Vielfalt [zu] unterstützen“ (BT Drs. 15/3054). Diesem Antrag stimmte der gesamte Bundestag am 23. September 2004 zu und so lässt sich hier die unsere aktuelle Position finden.

    Ich will die zentralen Punkte aus diesem Antrag kurz darlegen.

    Die UNESCO hat in ihrem Entwurf betont, dass kulturelle Vielfalt das gemeinsame Erbe der Menschheit und das Hauptelement tragfähiger Entwicklung ist. Ihr Schutz ist deshalb ebenso unerlässlich wie der Erhalt der Artenvielfalt. Aus diesem Grund könnten kulturelle Güter als Träger von Identitäten, Wertvorstellungen und Sinn nicht einfach als Waren und Konsumgüter betrachtet werden.

    Es sollte deshalb jedem Staat überlassen sein, im Rahmen internationaler Verpflichtungen seine eigene Kulturpolitik zu definieren und umzusetzen – zum Beispiel muss die nationale Förderung von einheimischen Musik- oder Filmproduktionen weiterhin möglich sein. Der Erhalt des kulturpolitischen Gestaltungsspielraums der Mitgliedstaaten angesichts des fortschreitenden Liberalisierungsdrucks und der zunehmenden Globalisierung ist eine vorrangige Aufgabe.

    Bei den Verhandlungen im Rahmen der WTO bzw. des GATS sollte deshalb eine kontinuierliche und angemessene Berücksichtigung der Besonderheiten des Kulturbereichs unverzichtbar sein. Deshalb muss in der EU, die in den GATS-Verhandlungen mit einer Stimme spricht, die Einstimmigkeit in Kulturfragen erhalten bleiben.

    Wir brauchen in der UNESCO-Konvention Mindestanforderungen der Kulturverträglichkeit, die völkerrechtlich bindend festgeschrieben und mit dem GATS-Regelverfahren rechtlich verschränkt werden und kulturpolitische Maßnahmen nicht von vorne herein als handelspolitisch unerwünschte Hemmnisse einstuft. Diese dürfen vor allem nicht unterschritten werden!

    Wir unterstützen deshalb nachdrücklich die hohe Bedeutung öffentlicher und mit öffentlichen Mitteln unterstützter Einrichtungen im Kulturbereich, das sind Theater, Kulturprojekte, öffentliche Bauten, Museen, Bibliotheken usw.

    Der wirtschaftliche und technologische Wandel eröffnet ungeahnte Möglichkeiten der Kreation und Innovation. Dem müssen wir Rechnung tragen, d.h. wir müssen uns besonders um Fragen des Urheberrechts und des geistigen Eigentums kümmern. Sie sind Wegmarken für Vielfalt. Diese zukunftsweisenden Themen sollten in einem breiten Dialog diskutiert werden. Zivilgesellschaft und Wirtschaft in Europa sollten stärker in die Diskussionsprozesse eingebunden werden.

    In allen Fragen der Vielfalt leisten auch die Medien, insbesondere der öffentlich-rechtliche Rundfunk, einen wesentlichen Beitrag. Er wird angesichts sich ändernder Kommunikationsgewohnheiten der Bevölkerung und der Nutzung des Internets und anderer Kommunikationstechnologien sogar wichtiger werden. Die Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss den freien Fluss von Ideen in Wort und Bild in allen Bereichen gewährleisten. So stellen wir sicher, dass alle Kulturen sich ausdrücken und bekannt machen können.

    Aus diesem Grund dürfen weder Bestand noch die angemessene Fortentwicklung der Medien und damit der Medienpluralismus insgesamt durch das Ergebnis der GATS-Verhandlungen oder der EU-Richtlinie beeinträchtigt werden. Nur ein Beispiel, was passieren könnte, wenn der Bereich der audiovisuellen Medien vielleicht doch auf dem Basar des gegenseitigen Gebens und Nehmens landet.

    Die Zulässigkeit unserer Rundfunkgebühren würden dann von WTO-Regeln bestimmt und ein Expertenpanel der WTO aus drei Handelsexperten würde, wenn sich ein anderer Staat über uns beschwert, darüber befinden, ob unsere Gebühren dem internationalen Handelsrecht entsprechen oder nicht. Wird ein Verstoß festgestellt und wir bestehen aber auf unseren Gebühren, so kann der Beschwerdeführer gegen uns Handelssanktionen, und zwar in jedem Bereich, verhängen! Das muss man sich mal lebhaft vor Augen halten.

    Es dürfen wegen der besonderen Bedeutung der kulturellen Güter und Dienstleistungen durch die EU keine weiteren Liberalisierungsverpflichtungen eingegangen werden, die die kulturelle Vielfalt und den Medienpluralismus beeinträchtigen oder kulturelle und audiovisuelle Dienstleistungen unter ausschließlich ökonomischen Gesichtspunkten ermöglichen. Und in der UNESCO-Konvention muss diese besondere Bedeutung normativ festgeschrieben werden. Es müssen Mindestanforderungen erarbeitet werden, die für die Kulturverträglichkeit von EU-Politik gelten und nicht unterschritten werden dürfen.

    Das heißt für uns und jeden einzelnen EU-Staat, dass der kulturpolitische Handlungsspielraum eines Staates erhalten bleiben muss, so dass die nationalen kulturpolitischen Instrumente einsetzbar bleiben. Insbesondere öffentliche und mit öffentlichen Mitteln geförderte kulturelle Einrichtungen müssen auch in Zukunft erhalten bleiben können. Nur so kann die Vielfalt unserer Theater und der Medien auch weiterhin bestehen. Das wiederum ist ein Grundstein für kulturelle Vielfalt, weil dies dann in jedem Land gilt.

    Mit dieser in unserem Antrag formulierten Position wollen wir der Bundesregierung und den Verhandlungen in UNESCO, GATS und EU Rückenwind geben.

    Wir gehen davon aus – und damit komme ich zum Schluss – dass die UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt für die zukünftigen Welthandelsrunden eine neue erweiterte Legitimationsgrundlage schaffen würde. Sie könnte eine den übrigen völkerrechtlichen Normen gleichgestellte politische Forderung nach kultureller Vielfalt festschreiben, die es den Unterzeichnerstaaten ermöglicht, die Sonderstellung der Kultur als ein nicht ausschließliches Wirtschaftsgut vertreten zu können. Diese hätten die Möglichkeit sich in zukünftigen GATS-Verhandlungen und insbesondere in Verfahren vor dem WTO-Streitbeilegungsorgan auf eine internationale Vereinbarung zum Schutz kultureller Vielfalt berufen.

    Die Vorbereitungen für die UNESCO-Konvention sind also, wie ich glaube auf einem guten Weg. Doch für unsere weitere Arbeit dürfen wir auch nicht die im Moment diskutierte EU-Dienstleistungsrichtlinie vergessen. Sie bietet nämlich einen Einstieg, die kulturellen und audiovisuellen Dienstleistungen einem Marktgeschehen zu unterwerfen und damit die kulturelle Vielfalt zu gefährden. Hier kann uns schnell das, was wir mit der UNESCO-Konvention verhindern wollen durch die Hintertür der EU wieder drohen.